Antworten aus der feministischen Ökonomie auf die globale Wirtschafts- und Finanzkrise
Im Sommer 2009 veranstaltete ein breites Bündnis von Frauen aus Wissenschaft und Gesellschaft ein Symposium, um nach Antworten der feministischen Ökonomie auf die Krise zu suchen. Die Dokumentation dieser Veranstaltung liegt hiermit vor.
Auslöser war die Beobachtung, dass Frauen in der gegenwärtigen Analyse der Finanz- und Wirtschaftskrise kaum auftauchen. Zunächst rein optisch ist die Szene der Banker, Wirtschaftsexperten, Politiker und Lobbyisten fast ausschließlich männlich besetzt. Und auch in den Lösungsmöglichkeiten, die diskutiert werden, spielt das Geschlechterverhältnis keine Rolle. Dabei geht es um nichts weniger als die Bewältigung der größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit 80 Jahren, die die Menschen weltweit bedroht und somit alle, ob Frauen oder Männer, in Haftung nimmt: kollektiv über Staatsgarantien, Rettungsschirme für Banken und öffentliche Konjunkturprogramme ungekannten Ausmaßes und individuell etwa durch den Verlust des Arbeitsplatzes, des Hauses, der Geldanlagen.
Was dabei unbeachtet bleibt, sind die geschlechtsspezifischen Dimensionen der gegenwärtigen Krise und die unterschiedlichen Auswirkungen der staatlichen Maßnahmen auf Frauen und Männer. Diesen Mangel untersucht die feministische Ökonomie. Darüber hinaus befasst sie sich auch mit wirtschaftstheoretischen Fragestellungen, die neue Perspektiven in der Krisenbewältigung eröffnen. Ein zentraler Aspekt ist dabei der ökonomische Zusammenhang zwischen der geldvermittelten Wirtschaft und der unbezahlten Arbeit sowie die Neubewertung der Care Arbeit zur Produktion des Lebensstandards. Care Arbeit bezeichnet die bezahlten wie auch unbezahlten personenorientierten Versorgungsleistungen, die zum größten Teil von Frauen geleistet werden.
In der öffentlichen Diskussion herrscht zur Zeit eine neue Offenheit für alternative ökonomische Konzepte und damit für Querdenkerinnen und Querdenker. Das Motto der Weltsozialgipfel, „eine andere Welt ist möglich“, formuliert nicht mehr nur eine kleine Minderheit von Globalisierungskritikerinnen und -kritikern, sondern ist die Hoffnung vieler – auch in den westlichen Industriestaaten, die von der gegenwärtigen Weltordnung stark profitierten. Eine andere Welt müsste in jedem Fall auch geschlechtergerecht sein.
Mit dem Symposium waren folgende Ziele verbunden:
- Verständnis über die globalen Zusammenhänge der Krise zu schaffen
- die geschlechtsspezifischen Dimensionen der Krise zu verdeutlichen
- feministische Konzepte und Theorien zur Bewältigung der Krise vorzustellen und zu diskutieren
- politische Forderungen aus Frauensicht zu formulieren.
Es wurde deutlich, dass Frauen in der Analyse und in der Debatte nicht nur einfach fehlen, sondern dass es ganz im Sinne von Gender Mainstreaming einer strukturellen Analyse und daraus resultierender Veränderung der ökonomischen Strategien und der Institutionen bedarf.
Das Symposium wurde von einer Reihe von Veranstalterinnen getragen: Neben der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Frauenakademie München beteiligten sich die Bundeszentrale für politische Bildung, das Bayernforum der FES, das Münchner Frauennetz für eine frauengerechte Stadt und die Hochschule München.
Mit Beiträgen von Dr. Sabine Reiner, ver.di Bundesvorstand, Prof. Dr. Brigitte Young, WWU Münster, Prof. Dr. Adelheid Biesecker, Universität Bremen, Dr. Barbara Stiegler, Friedrich-Ebert-Stiftung, Mag. Dr. Gabriele Michalitsch, Wirtschaftsuniversität Wien.
Download: http://library.fes.de/pdf-files/wiso/06753-20091109.pdf
Konzeption und Realisierung: Birgit Erbe, Frauenakademie München, und Dr. Barbara Stiegler, Friedrich-Ebert-Stiftung
Datum
04.07.10
Ort
München
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